Politischer Aschermittwoch Vilshofen
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- Erstellt am Mittwoch, 17. Februar 2010 00:00
Im traditionsreichen Wolferstetter Keller war kein Platz mehr frei, als um 10.10 Uhr Sigmar Gabriel in Begleitung politischer Prominenz den Saal betrat. Unter dem Jubel von 800 SPD-Anhängern begrüßte der Vilshofener SPD-Ortsvorsitzende Florian Grams die beiden Hauptredner Florian Pronold und Sigmar Gabriel. Mit dabei waren Generalsekretärin Natascha Kohnen, SPD-Fraktionschef im Landtag Markus Rinderspacher und die stellvertretenden SPD-Landesvorsitzenden Annette Karl und Ewald Schurer. Unter den Ehrengästen war auch
Altbürgermeister Alfons Gerstl.
Gespannt hatten die SPD-Anhänger auf die Reden des SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel und des SPD-Landesvorsitzenden Florian Pronold gewartet und wurden in der Zwischenzeit von den Halser Musikanten unterhalten. Die Erwartungen des Publikums an die beiden SPD-Hoffnungsträger wurden voll erfüllt. SPD-Landesvorsitzender Florian Pronold teilte ordentlich in Richtung CSU und FDP aus. Er eröffnete seine Rede mit der Bemerkung, dass Niedersachsen und Niederbayern eines gemeinsam hätten: Beide sind für ihre deutliche Aussprache bekannt. Kein gutes Haar ließ Florian Pronold am politischen Gegner. „Am Rosenmontag war die Regierung 111 Tage alt. Eine Schnapszahl. Ohne Schnaps erträgt man das auch nicht mehr, was die veranstalten in Berlin“. Als „Horrorkabinett“ bezeichnete er die „Traumehe“ von Merkel und Westerwelle.
Die Schelte in der Landespolitik galt Horst Seehofer und vor allem dem Desaster der Landesbank. „HGAA hat eine neue Übersetzung. Haufen Geld am Arsch!“, so Florian Pronold zu den Genossen. Besonders genüsslich kommentierte Pronold die Meldung, wonach der Gangsta Rapper Bushido angeblich eine neue Parteihymne für die CSU schreiben solle. Dies habe Horst Seehofer ihm angeboten. „Wenn die CSU dokumentieren will, dass sie gesellschaftspolitisch irgendwo zwischen Steinzeit und Mittelalter stehen geblieben ist, soll Bushido die Hymne schreiben.“
Auch Sigmar Gabriel begeisterte mit einer angriffslustigen Rede. Er geißelte Westerwelles Äußerungen über Hartz IV Empfänger als Schande für die politische Kultur. Die wahren Sozialbetrüger seien diejenigen, die von diesem Staat „alles mitnehmen, was geht“ und ihr Vermögen dann „am Finanzamt vorbei ins Ausland“ schafften. Sie nutzten öffentliche Einrichtungen, besuchten beispielsweise "subventionierte Theater", verweigerten sich aber der Mitfinanzierung des Gemeinwesens. Damit diejenigen, die Vollzeit arbeiten, nicht weniger in der Tasche haben als diejenigen, die nicht arbeiten, gebe es mathematisch zwei Möglichkeiten: das Arbeitslosengeld II herunter zu setzen, wie es die FDP wolle, oder die Löhne herauf. Die SPD stehe für Mindestlöhne ein, damit die die arbeiten, mehr haben.
Statt entschlossen gegen Steuerhinterziehung vorzugehen, versuche der FDP-Chef aber "in einer ergebnislosen Debatte Sündenböcke zu finden". "Westerwelle ist nicht Außenminister, er ist der Dienstbote derjenigen, die sich den Staat zur Beute machen wollen", fasste der SPD-Vorsitzende unter lautstarker Zustimmung des Publikums zusammen.
Bei der Kopfpauschale im Gesundheitswesen müssten in Zukunft 40 Millionen Deutsche "beim Sozialamt einen Zuschuss beantragen, wenn sie ins Krankenhaus müssen", warnte Gabriel und erinnerte daran, dass ein führender Lobbyist der Privaten Krankenkassen im Gesundheitsministerium nun die Gesetzliche Krankenversicherung reformieren solle: "Der freundliche Pharmareferent, der behauptet, er sei Gesundheitsminister, lockt den Fuchs in den Hühnerstall."
Zudem drohe eine dauerhafte und vor allem auch für die Länder und Kommunen katastrophale Schwächung des Staates – mit weitreichenden Konsequenzen in alle Bereiche des öffentlichen Lebens. Allein mit dem Steuergeschenk für Hoteliers hätten 50.000 Kindergartenplätze eingerichtet werden können, kritisierte der SPD-Vorsitzende. Auch bei den Bildungsausgaben hinke Deutschland schon jetzt um 20 Milliarden Euro hinter dem Durchschnitt der Industriestaaten hinterher. Und es komme noch schlimmer: Die jüngst von Schwarz-Gelb beschlossenen Steuersenkungen bezeichnete Gabriel als erst den "Beginn einer gigantischen Verschuldungsorgie".
Zukunftsorientierte Konzepte vermisst der Sozialdemokrat auch in der Energiepolitik. Die geplante Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke verhindere Investitionen im Bereich Erneuerbarer Energien und gefährde Hunderttausende zukunftsfähiger Jobs. Daran ändere auch der Vorstoß des Umweltministers nichts, der die Laufzeitverlängerung auf acht Jahre begrenzen will. Dies sei vor allem taktischen Überlegungen vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen geschuldet: "Röttgen verbreitet grünen Nebel, um die Wähler in NRW in den schwarzen Sumpf zu locken."
Den bayerischen Ministerpräsidenten bezeichnete der SPD-Vorsitzende als "Drehhofer – weil man nie so recht weiß, in welche Richtung er sich gerade dreht". Die Kanzlerin forderte Gabriel auf, endlich Verantwortung zu übernehmen und ihre Politik nicht nur von Schlagzeilen einer großen Boulevard-Zeitung abhängig zu machen. "Sie reagiert immer dann, wenn etwas in der Bild-Zeitung steht", hat der SPD-Vorsitzende festgestellt. "Angela Merkel ist keine Präsidialkanzlerin", wie oft behauptet werde. "Sie ist Trivialkanzlerin", so Gabriel.
Nach einer Stunde Redezeit gab es minutenlangen kräftigen Applaus und Bravo-Rufe für den SPD-Parteichef. Als Abschiedsgeschenk überreichte SPD-Ortsvorsitzender Florian Gams einen Korb mit verschiedenen Wolferstetter Bieren und gab sich optimistisch, dass Sigmar Gabriel auch im kommenden Jahr wieder Redner beim Politischen Aschermittwoch der SPD sein werde.